Kreislaufwirtschaft

Kreislaufwirtschaft

Autarkie und Krisensicherheit durch Kreislaufwirtschaft in Gemeinden und Regionen
– Das Ende einer Entwicklung und die Möglichkeit eines Neuanfangs
2007 Ripl / Grebe (SAT e.V. Systeminstitut Aqua Terra)

Unser Lebensstandard, unsere medizinische Versorgung und die Freiheit von Ort und Zeit sind über ein Jahrhundert in atemberaubender Weise gewachsen. Durch totale Kommunikation ist jeder Ort der Erde zu jeder Zeit sofort erreichbar. Jeder Ort der Erde kann physisch in einem Tag erreicht werden. Dies ist durch eine ständig sich weiter differenzierende Arbeitsteilung und eine ständig wachsende Wirtschaft erreicht worden.

Wir kommen ans Ende dieser Entwicklung. Wir sehen jetzt, dass die Möglichkeiten einer weiteren Steigerung immer begrenzter werden. Tatsächlich hat die Effektivität der Arbeitsteilung ein Optimum. Dieses haben wir bereits überschritten. Durch zunehmende Zersplitterung und Undurchsichtigkeit komplizierter Prozesse befinden wir uns jetzt auf dem absteigenden Ast.

Wir stehen daher vor einer nicht-abschätzbaren Entwicklung mit großem Katastrophenpotential. Noch genießen wir die Segnungen unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Wir haben aber das unbestimmte Gefühl, dass diese Ordnung, die auf immerwährendem Wachstum aufgebaut ist, nicht aufrechterhalten werden kann. Wir haben das unbestimmte Gefühl, dass die Probleme der Klimaveränderung, der verschwindenden Ölvorräte, des knapper werdenden Süßwassers, der prekärer werdenden Wirtschaft, der zunehmenden Arbeitslosigkeit und der an ihre Grenzen geratenen Krankenversorgung uns irgendwann einmal über den Kopf wachsen werden. Aber was kommt danach? Wir wissen es nicht. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Politik nicht in der Lage ist, entschiedene Änderungen herbeizuführen oder gar die bedrohliche Entwicklung umzukehren. Allein die Kompliziertheit und Undurchschaubarkeit der Gesetze und Bürokratien macht Bewegung immer schwerer und schließlich unmöglich.

Die Politik beschränkt sich darauf, kleine Drehungen an den Stellschrauben des Gesellschaftskörpers zu machen. Die großen Gefahren und eine Politik, die die Gefahren verdrängt, verdrängen muss, geben uns das Gefühl, dass wir nichts gegen die Katastrophen, die auf uns zukommen, machen können.

Gibt es eine realistische Möglichkeit der Rettung? Es gibt sie. Sie steht nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit und ist nicht Gegenstand großer Debatten, weil sie nicht weniger einfach und nicht weniger revolutionär ist wie seinerzeit Einsteins Ansatz, dass die Zeit relativ ist (Ein Zwillingsbruder altert langsamer, wenn er sich seinem Bruder gegenüber schnell bewegt). Einstein wurde seinerzeit selbst von Physik-Professoren für verrückt erklärt. Die Rettung ist die Umkehr unserer auf die Spitze getriebenen Arbeitsteilung durch die Stärkung der Autarkie kleiner Zellen der Gesellschaft. Auch das ist ein einfacher und doch revolutionärer Gedanke.

Es ist möglich, dass kleine Zellen in der Größe von Gemeinden ihre Autarkie vergrößern, dabei unabhängiger werden und ihre Lebensqualität verbessern. Niemand kann die Weiterentwicklung unserer komplizierten zentralistischen Systeme voraussagen, schon gar nicht sie bestimmen. Solche Systeme sind die globale Wirtschaft, die von dieser abhängige nationale Wirtschaft, das internationale Währungssystem, das durch nichts gedeckt ist, der Klimawandel, die globale Energiewirtschaft bis hin zu den Krankenversicherungs- und Rentensystemen. Auch die verheerenden Verschiebungen und Verwerfungen in unseren Gesellschaftssystemen durch die heraufziehenden Katastrophen lassen sich nicht vorhersagen oder gar vermeiden.

Der Ausweg aus dem Dilemma ist das Zurückfahren der Zentralisierung der Ressourcen- und Energiewirtschaft. Das kann geschehen durch kleine Kreisläufe des Wassers, der Energie, der Lebensmittel, der Abfallversorgung, der Herstellung vieler Produkte. Diese kleinen Kreisläufe machen die Prozesse wieder sichtbar, durchschaubar und beeinflussbar. Wir betreiben heute unsere Versorgungsprozesse voneinder getrennt und zentralisiert: Wasserwirtschaft, Energiewirtschaft, Lebensmittelwirtschaft, Abfall Wirtschaft und die Bewirtschaftung von Wald und Agrarfläche.
Wenn wir diese Prozesse und Systeme dezentralisieren und in einen Verbund am Ort einbringen, werden sie nachhaltiger, ökologischer, kostengünstiger und qualitativ besser ablaufen und funktionieren. Erst in kleinen Kreisläufen auf Gemeinde-Ebene können die Prozesse und Systeme in einem Verbundsystem realisierbar, durchschaubar und beeinflussbar gemacht werden. Neben anderen Faktoren, die die Kosten senken, spielt der Wegfall von Transportkosten eine erhebliche Rolle. Wir haben uns an eine hohe Belastung aller unserer Produkte durch Transportkosten gewöhnt.
Der Grundgedanke ist so einfach wie Einsteins Grundgedanke der Relativität der Zeit. Entsprechend schwierig sind das Umdenken und der Glaube an die Realisierbarkeit. Einstein musste noch ein gutes Jahrzehnt warten, bis seine Voraussagen wissenschaftlich nachgewiesen werden konnten. Wir sind in einer besseren Lage.

Es gibt Gemeinden, die schon ein Stück weit auf diesem Weg fortgeschritten sind und als Modell dienen können. Zentrale Vorteile eines solchen Umbaus sind:

  • die Machbarkeit (im Gegensatz zu einem gesellschaftlichen Gesamtumbau)
  • schnell erreichbare attraktive Vorteile für die Bürger
  • die Ausbreitung des umgestalteten Gebietes schrittweise
  • Gemeinde nach Gemeinde
  • die Möglichkeit des schrittweisen Vorgehens innerhalb einer Gemeinde.


Um diese Kreisläufe zu ermöglichen müssen sich die Bürger der Gemeinden in Genossenschaften zusammenschließen. Für Kreisläufe, die nur in größeren Zeilen eingerichtet werden können, müssen sich Gemeinden zusammenschließen. Doch politische Zusammenschlüsse dürfen nur so groß werden, wie es für eine bestimmte Aufgabe nötig ist.

Da die Bürger diese Kreisläufe und damit die Umgestaltung der jeweiligen Gemeinde selbst einrichten, erwerben sie Sachkenntnisse, und eine Verwaltung entsteht, die auf Kompetenz und Verantwortung aufgebaut ist. Die Autarkie kann natürlich schon deswegen nur schrittweise ausgebaut werden, weil sich Gemeinden aus dem größeren gesellschaftlichen Zusammenhang nur schrittweise herauslösen können. Wenn die Autarkie fortschreitet, wächst auch die Überzeugungskraft einer solchen Entwicklung.

Der beschriebenen Vorgehensweise liegt das Prinzip der Verortung zugrunde. Die Bereitstellung von Ressourcen und Produkten findet an dem Ort statt, wo sie benutzt oder verbraucht werden. Die Grundlage ist der Boden, d.h. die Fläche der Gemeinde. Vom Boden ausgehend können ineinander greifende Kreisläufe aufgebaut werden, z.B. ein Wasser-Energie-Nutzwasser- Verbund. Ein solcher Verbund baut auf natürlichen Kreislaufprozessen auf und ist dadurch leistungsfähiger, krisenunabhängiger und gesünder für Boden und Umwelt.

Wir haben bisher durch sektorielle Bewirtschaftung unserer Ressourcen in die Natur in zerstörerischer Weise eingegriffen. Wenn wir so weitermachen, steuern wir auf eine Umweltkatastrophe zu. Aber die Natur kann sich wieder erholen, wenn ihr dazu auf ihren Flächen Gelegenheit gegeben wird. Eine Erholung der Natur in einem größeren Rahmen fängt auch die bedrohliche klimatische Entwicklung auf. Jede verortete Gemeinde leistet dazu einen kleinen Beitrag Die beschriebene Entwicklung ist der erste Anfang. Will sie sich ausbreiten, muss sie mit der Zeit auch die schwierigen und problematischen Gesellschaftsstrukturen einbinden: Die Städte, die Industrie, die demografischen und geografischen Gegebenheiten in anderen Ländern.

Beispiel Australien Weite Flächen Australiens werden von den großen Problemen Wasserwirtschaft, Versalzung der Böden, Dürre, kurzzeitige Überflutungen, Erosion und dem Verschwinden der Vegetation bestimmt. Ein einzelner Farmer, Peter Andrews, hat auf dem Gebiet seiner Pferdezucht eine Wasserwirtschaft eingerichtet, die darauf ausgerichtet ist, das Wasser in der Landschaft zu halten und die ortstypischen Pflanzen, viele als Unkraut bekämpft, wachsen zu lassen. Die Landschaft ergrünte wieder. Die Gesundung der Landschaft drückte sich aus in neuer Vegetation, dem Ausbleiben von Überschwemmungen und Erosion, Verbleiben von Wasser in den Böden und der Vegetation und die völlig unerwartete Erzeugung von Süßwasser durch die Natur selbst.
Die Möglichkeit einer solchen Entwicklung war von Naturwissenschaftlern, Ökologen, Politikern und Farmern des Gebietes heftig bestritten worden. Anfänglich konnten vom Erfolg nur die Leute überzeugt werden, die einer Einladung Folge leisteten und das Resultat mit eigenen Augen inspizieren konnten.

Die Ungläubigkeit sogar der Agrarwissenschaftler beruht allgemein auf der getrennten Betrachtung von Objekten in immer weiter unterteilten Fachgebieten. Andrews zitiert einen Aborigine, der die Partikulasierung unserer Wissenschaft und Gesellschaft mit den Worten kommentierte: "The White Man Sees Nothing!" Die Aborigines mögen zwar in unseren Einzeldisziplinen spektakulär "rückständig" sein, haben aber schon immer einen Gesamtheits-Blick gehabt und mit vorhandenen - und leistungsfähigeren - Naturprozessen gelebt.