Gut anfangen
Zweiter Artikel in der Serie Diana Leafe Christian – «Creating a Life Together: Practical Tools to Grow Ecovillages and Intentional Communities» – Zusammenfassung, Kommentare und Reflexionen
Kapitel 3 Gut anfangen
Zunächst einmal sollte sich die neue Gemeinschaft klar werden was sie gemeinsam erreichen möchte. Die an Beliebtheit zunehmende Baugruppe (Cohousing) ist eine Form der intendierten Gemeinschaft, definiert als Wohnform mit individuell finanzierten Wohneinheiten die üblicherweise etwas kleiner sind als der Durchschnitt, es aber dafür wesentliche Gemeinschaftsbereiche gibt: Wohnküche, Kinderspielbereich, Waschküche, Gästeräume und Gemeinschaftsgarten. Gemeinsame Mahlzeiten sind häufig fester Bestandteil der Gruppe.
Die Baugruppe Regionalstatt Neuruppin plant eine Wohnbaugenossenschaft welche die Wohnungen vermietet. Die regionaler leben eG ist ideelle Trägerin und in einem fortgeschrittenen Stadium der Projektvorbereitung. Als nächstes werden die bestehenden Vorentwürfe mit den neuen Mitgliedern der Baugruppe diskutiert und ggf. angepasst. Die neu zu gründende Wohnbau-Genossenschaft wird Bauherrin und nach Fertigstellung den Betrieb und die weitere Entwicklung übernehmen.
Zwecks Sondierung empfiehlt Diana Leafe Christian, bestehende Gemeinschaften zu besuchen und mit möglichst vielen Gründern zu sprechen. Bei Besuchen sollte immer die Bereitschaft signalisiert werden, ein paar Stunden mit anzupacken. Arbeit gibt es immer, sei es im Garten oder den Gemeinschaftsräumen.
Selbstorganisation
Regelmäßige Treffen mit zuverlässiger Teilnahme sind essentiell, in der akuten Planungs- und Bauphase meistens wöchentlich. Da immer einige Baugruppenmitglieder mehr Zeit zur Verfügung stellen können und wollen, sollte eine Struktur bestehen um die Zeitinvestition anzugleichen, z.B. mit Zeitkontingenten, die ggf. auch später abgeleistet werden können, so dass keine realen oder vermeintlichen Ungerechtigkeiten innerhalb der Gruppe entstehen.
Eine konsensbasierte Entscheidungsmethodik muss von der gesamten Gruppe eingeübt werden, damit keine ungleichen Erwartungen entstehen oder nur ein trügerischer „Schein-Konsens“ erreicht wird.
Weitere grundlegende Entscheidungen des Anfangs sind:
- Lebensstile und soziales Gefüge: Familienorientierung (z.B. generationenübergreifendes Wohnen), Wohnen im Alter, soziale Durchmischung
- Finanzverteilung: Gleichheit oder Abstufung der finanziellen Beteiligungen, und die Entscheidung ob sich die unterschiedliche Beteiligung auch im Stimmrecht niederschlägt
- Geistliche und politische Aspekte: teilen wir gleiche Werte und/oder politische Überzeugungen? Fördern wir Aktivisten in der Gruppe oder halten wir politischen Aktivismus gezielt aus der Gruppe heraus?
- Vorbildcharakter: verstehen wir uns als eine Modell-Gemeinschaft mit Multiplikatorwirkung und wollen wir unsere Erfahrungen gezielt mit anderen Gruppen in Seminaren oder Tagungen weitergeben, oder geht es uns vorrangig nur ums Wohnen?
Alsdann sollten die Grunderwartungen bezüglich des Zeithorizonts und der Finanzierung geklärt werden. Gruppenentscheidungen sollten für alle zugänglich festgehalten werden. Die RLeG sieht hier ein online-Werkzeug wie z.B. Trello vor, das auch die Zusammenarbeit und Übersicht der anstehenden Aufgaben erleichtern wird.
Wie jeder vitale Organismus lebt die Gruppe von der Wahrnehmung eines Fortschritts oder Fortschreitens entlang eines Zyklus oder einer Projektphase. Erste Schritte wie die Definierung der Vision oder die Ausarbeitung der Kerndokumente und -verträge sollten bereits gewürdigt werden und als wesentliche Meilensteine auf dem Weg durch Projekt wahrgenommen werden. „Eine Reise von tausend Meilen beginnt unter deinem Fuß.“ sagt Laotse.
Das liebe Geld hat in der Regel die höchste Sprengkraft für die Gruppe. Realismus und Offenheit sind geboten. Baugruppenmitglieder müssen sich erklären, wieviel sie am Anfang und kontinuierlich finanziell beitragen können und wollen.
Zusammenhalt generieren
Die Gruppe ist eine definierte Interessengemeinschaft. Je definierter umso besser, und wenn neue Mitglieder akquiriert werden, ist es wichtiger die passenden Individuen zu erreichen als möglichst viele anzusprechen.
Diana gibt etliche Anregungen wie ein Gemeinschaftsgeist gefördert werden kann, angefangen mit den Umgangsformen, über die Strukturierung des Beziehungsgeflechts, bis hin zu gemeinsamen Aktivitäten und Erlebnissen (Business-Meetings ebenso wie Geschichten am Lagerfeuer) und Ritualen, die Gemeinsinn stiften. Einige erfolgreiche Gruppen haben bestimmt dass neue Mitglieder einen Workshop im Konsensieren absolvieren, oder weisen neuen Mitgliedern erfahrenere „Mentoren“ zu.
Pioniere und Siedler
In jeder Gruppe identifiziert Diana zwei Kerntypen: die Pioniere, die unternehmerisch, risikobereit und initiativ vorangehen, und die Siedler, die abwarten und auf ein erprobtes und tragfähiges Konzept aufsteigen wollen. Eine Fluktuation der Mitglieder ist natürlich, und häufig sind nicht alle Initiatoren am Ende noch dabei. Möglicherweise passt nicht allen die Vision und die Abmachungen auf die sich die Gruppe im Laufe des Projektes einigt, und manchem Visionär wird flau wenn es zu konkret wird. Gerade die Konkretisierung ist aber wiederum für den Siedler-Typ attraktiv.
Hinweis: bei dieser Artikelserie handelt es sich um eine freie Übersetzung mit weitergehenden Kommentaren und Anmerkungen im Hinblick auf unser Bauprojekt, die nicht also solche gekennzeichnet sind. Die Lektüre des Originals von Diana Leafe Christian wird empfohlen (auch auf amazon.de verfügbar, aber nur Englisch, eine deutsche Übersetzung liegt meines Wissens nicht vor).
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