Energie in Bürgerhand

Die britische Arbeiterpartei, derzeit in Opposition, hat gestern verkündet, sie wolle nach der Wahl 2015, so sie gewählt würde, die Energiepreise für 20 Monate deckeln (2015 bis 2017), d.h. keine Erhöhungen erlauben. Die Energiegroßkonzerne haben dieses Versprechen natürlich sofort scharf kritisiert. Mehrere Nuklearreaktoren kommen im Land zum Ende ihrer technischen Lebensdauer, es sollen neue gebaut werden aber das dauert. Der Netzüberschuß, also die Sicherheitszone um welche die Stromerzeugung den Bedarf übersteigt, um sicherzustellen daß bei Kraftwerksausfällen nicht sofort Stromausfälle eintreten, soll bis 2015 angeblich auf 2% sinken. Investitionen sind vonnöten und Preiskontrollen wären schädlich für Innovation und Arbeitsplätze, so die Energiewirtschaft.

Ist denn aber das Kernproblem nicht daß diese Großkonzerne alljährlich einer Schar von Aktieninhabern eine dicke Rendite zahlen wollen und müssen? Wie absurd ist eigentlich diese Situation? Stellen wir uns mal vor, Energiekonzerne hätten eine Abmachung, daß Bürger für eine einmalige Investition unbefristet jedes Jahr eine hübsche Menge Strom und Gas kostenfrei für eigene Zwecke abführen dürften. Millionen hätten nun von diesem lukrativen Angebot Gebrauch gemacht und was bei denen ankommt die nicht reich genug sind um eine solche Investition zu leisten, würde immer teurer und knapper. Anstatt den Konzernen vorzuschreiben die Tarife an die armen Endabnehmer nicht noch weiter zu erhöhen, wäre es nicht sinnvoll der fortwährenden legalen Blutsaugerei ein Ende zu bereiten? Die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) haben es vorgelebt, und Mitbegründerin Ursula Sladek erhält für ihre Pionierleistungen den diesjährigen Deutschen Umweltpreis. Das Preisgeld will sie in bester Pioniermanier hauptsächlich für den weiteren Ausbau dezentraler genossenschaftlicher Strukturen verwenden, vor allem für Strom- und Gasnetzrückkäufe. Nebenbei reicht es hoffentlich auch für ein paar Flaschen Champagner!

Die Beharrlichkeit und Kreativität, Findigkeit und Waghaligkeit die ein solcher Rückkaufprozess erfordert ist enorm. Das Kapital gibt sich nicht leicht geschlagen, wie das Protokoll der Vorstandssitzung 2011 der Energie in Bürgerhand eG erschütternd veranschaulicht. In Jena hat die Thüga die Oberhand über die Beteiligung einer Bürgergesellschaft. Immerhin ist die Thüga mit "nur" gut 20 Mrd Euro Jahresumsatz deutlich "regionaler" als E.ON mit gut über 100 Mrd. Und die Thüga erprobt Power-to-Gas in Frankfurt.

Hamburg hat mit knapper Mehrheit entschieden seine Strom-, Gas- und Fernwärmenetze zurückzukaufen. Das Volksbegehren in Berlin für den Rückkauf von Vattenfall übertraf mit 265.000 Unterschriften im Juni reichlich die benötigten 200.000. Am 3. November folgt der Volksentscheid, Campact macht die Tragweite dieser Entscheidung mit der Kampagne "Netz oder nie!" bekannt und wirbt Unterstützer. Vattenfall Deutschland-Chef Tuomo Hatakka bezweifelt die Sinnhaftigkeit der Initiative, und auch Wirtschaftssenatorin Yzer ist kritisch. Aber das langsam einsetztende prinzipielle Umdenken ist wohl hoffentlich nicht mehr aufzuhalten, das Verständnis daß essentielle Versorgungsbetriebe am besten von den Bürgern genossenschaftlich getragen werden sollten, und nicht von kommerziellen, anteileignerhörigen Großkonzernen.