Leben mit der Energiewende

Die Alternative zum nächsten Kinobesuch oder DVD-Abend: nach zwei stilistisch fragwürdigen Eingangsminuten folgt ein fesselndes Energiegewitter von derartigem Realitätsbezug und allgemeiner Relevanz, wie sie Holly-, Bollywood oder Babelsberg selten erreichen. Vom Ausgangspunkt der politischen Untergrabung des EEG schwingt sich die Dokumentation auf zur Darstellung einer Zukunft, in der mit Demokratisierung der Stromproduktion und Bürger-Energiewende das EEG schon nicht mehr nötig ist, und der Verbraucher sich seine Energie selbstständig beschafft, unabhängig von preistreiberischen Oligopolen.

Der Strompreis in Deutschland ist 25.5¢ in 2012, davon bildet die EEG-Umlage 3.6¢. In 2011 ist der Anteil an erneuerbarem Strom von 17.1% auf 20.1% gestiegen. Dadurch kommt es zu einer Erhöhung EEG-Umlage um weitere 1.68¢ in 2013. Dies führt zu gewaltigen Protesten mit dem Tenor die Energiewende sei zu teuer. Hingegen wird fossile Energie unablässig teurer und erneuerbare Energie unablässig günstiger. Schon jetzt benötigen die Erneuerbaren weniger Förderung als die Konventionellen. Außerdem verhält es sich so, daß gerade der angeblich teure Photovoltaik-Strom eine Tagesglättung erzielt, also die Vermeidung von mittäglichen Strompreisspitzen. Damit trägt Solarstrom erheblich zur Verbilligung von Strom an der Großhandelsbörse bei. Energiekonzerne und große Verbraucher profitieren also vom geringeren Strom-Tagespreis im Einkauf, die Einsparungen werden aber generell nicht an die Endkunden weitergegeben. Im Gegenteil erhöht sich bei fallenden Großmarktpreisen noch die EEG-Umlage - die Großkonzerne gewinnen, der Bürger zahlt. Weiterhin haben sich eine überraschend hohe Zahl von Firmen von der EEG-Umlage befreien lassen, indem sie erfolgreich argumentieren konnten daß sie viel Energie benötigen und im internationalen Wettbewerb stünden.

Die Absenkung der Einspeisevergütung für Solarstrom erfolgte abrupt und führte zu Stornierung erheblicher Investitionsvolumen. Solaranlagen über 10MW Nennleistung werden seit dem 1. Oktober 2012 überhaupt nicht mehr nach dem EEG vergütet, für alles andere gibt's 25% weniger, und auch nur noch für 90% des erzeugten Stroms, 10% sollen nach einer derzeit noch dubiosen "Marktprämie" vergütet werden.

Die Rechnung geht dennoch jetzt schon auf, der Bürger kann sich energetisch selbständig machen und mit Speicherung sogar auf die Einspeisung mehr und mehr verzichten. Hierbei ist in erster Linie vom Strom die Rede, Solarthermie oder Biogas für Heizung und Warmwasser werden aber auch erwähnt. Wer kein Dach besitzt, kann sich an einer Energiegenossenschaft beteiligen und investieren. CrowdEnergy bietet per Mausklick Transparenz und Anschaulichkeit dessen, woran man sich beteiligt.

Für Insellösungen ist die Speicherung nach wie vor eine Herausforderung. Der Ausbau der Netzinfrastruktur ist derzeit nicht solidarisiert, der Energieversorger bittet hierfür die Gemeinde zur Kasse, wie am Beispiel Meyenburg (Wittstock/Dosse) verdeutlicht wird. Lithium-Batterien sind auf dem Vormarsch, im Mobilitätssektor wie auch zunehmend für die Ablösung der heißen Reserve, oder auch etwas unglücklich-neudeutsch "Must-run-Kapazität" genannt. Erneuerbares Gas wird nicht erwähnt.

Bei den "Balkonkraftwerken" bekam ich Bauchschmerzen. Bei suboptimaler Aufstellung, z.B. senkrecht im Erdgeschoß, wie im Film zu sehen, gilt zu befürchten daß die bei der Herstellung des Solarmoduls aufgewendete Energie nicht wieder hereinkommt – Stichwort Vollkostenkalkulation.

Kleine, neue Wasserkraft möchte ich außerdem noch anfügen. Bei system- und umweltgerechtem Aufbau können sie einem Gewässer auch ökologischen Nutzen statt Schaden bringen.

Das die zehn weltgrößten Konzerne Energiekonzerne sind stimmt nur wenn man den Einzelhändler Walmart ausnimmt und Toyota auf Rang 10 gelten läßt (gefolgt von Total). Aber eindrücklich ist das schon, wie sich mit der Bereitstellung von Nutzenergie gewaltiges Geld machen läßt (auch wenn die eigentliche fossil gespeicherte Energie ja eigentlich von Mutter Natur produziert wurde).

Interviewpartner und Vordenker (in der Reihenfolge des Auftretens):

  • Dirk Morbitzer, Renewable Analytics LLC
  • Jan Wecke, ASG Engineering GmbH
  • Karl-Heinz Remmers, Solarpraxis AG
  • Stefan Säuberlich, Solon Energy GmbH
  • Herrmann E. Ott, Grünen-Bundestagsabgeordneter
  • Kurt Krannich, Krannich Solar
  • Martin Müller, crowdenergy
  • Holger Laudeley, Laudeley Betriebstechnik
  • Sylke Henseler, Hausbesitzerin
  • Jürgen Will, Holger Ruletzki, Parabel AG
  • Katrin Lange, Amt Meyenburg
  • Mike Blechschmidt, Wachstumskern Autobahndreieck Wittstock / Dosse e.V.
  • Clemens Triebel, younicos AG
  • Matthias Willenbacher, JUWI Holding AG
  • Paul Grunow, Haleakala Stiftung
  • Frank Groneberg, watt 2.0
  • Familie Däuble, Solaranlagen- und Batteriebesitzer

Special Guest: Peter Altmaier, Umweltminister